Auf einer Online-Tagung des Umweltnetzwerkes GRÜNE LIGA zur Umweltverträglichkeit des Gipsabbaus in Deutschland am Freitag waren sich die Expert*innen einig, dass durch die Rohstoffförderung die Natur - besonders im seltenen Gipskarst - unwiederbringlich zerstört wird. „Der Abbau von Gips kann nicht als naturverträglich bezeichnet werden, der Aufschluss zusätzlicher Abbaugebiete lässt sich nicht mehr vertreten“ fasst der Bundesvorsitzende der GRÜNE LIGA René Schuster die Diskussion zusammen. In einem vor wenigen Tagen erschienenen Positionspapier haben sich mehrere Verbände für eine Beendigung des Gipsabbaus in Deutschland bis 2045 ausgesprochen.
Unterstützung bekamen die Kritiker*innen eines ungebremsten, industriellen Gipsabbaus in Deutschland aus den USA. Der Exekutivdirektor des US National Cave and Karst Research Institute und Präsident der internationalen Union für Speläologie (Höhlenforschung) George Veni aus Carlsbad (New Mexiko) erklärte, Deutschlands Gipskarst sei von der UNESCO als Globaler Geopark anerkannt und verfügt über das weltweit einzige Gipskarst-Biosphärenreservat. Für den US-Forscher sei ein Abbau in sensiblen Gebieten nicht mehr nötig. „Synthetischer Gips ist jetzt einfach und günstig zu erhalten. Phosphorgips ist zum Beispiel ein reichlich vorhandenes Abfallprodukt, das von vielen Ländern für den Bau, Straßenbau, Düngemittel und Deponien verwendet wird“, sagte Veni in einer Grußbotschaft.
Berlin. Ein Bündnis zivilgesellschaftlichen Organisationen fordert die Bundesregierung auf, bis 2045 aus dem Naturgipsabbau auszusteigen und ab sofort keine Genehmigung neuer Abbauflächen zu erteilen. In einem gemeinsamen Positionspapier sprechen sich die Verbände GRÜNE LIGA, Naturschutzbund (NABU), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Verband deutscher Karst- und Höhlenforscher (VdHK) und die Initiative Architects for Future (A4F) für den Erhalt seltener Naturlandschaften und ein grundsätzliches Umdenken im Baubereich aus. Die Hälfte des Naturgipses in Deutschland wird im Südharz abgebaut. Dies ist eines der artenreichsten Gebiete in Deutschland. Aktuell landet der Großteil der hergestellten Gipsprodukte als Abfall auf Deponien und wird nicht wiederverwendet.
SAVE THE DATE! Hiermit möchten ich Sie herzlich einladen, im Rahmen einer bundesweiten online Tagung am 08.10.2021 mit uns die Umweltverträglichkeit des Naturgipsabbaus zu diskutieren.
Mit dem vom Bundestag beschlossenen Kohleausstieg fällt langfristig auch REA-Gips als Nebenprodukt der Kohlekraftwerke weg. Dies erhöht den Druck auf den deutschen Naturgipsabbau und wirft die Frage nach den Auswirkungen des Abbaus auf die Natur auf. Der Bundesverband GRÜNE LIGA e.V. lädt die Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Betroffene, sowie die Bauindustrie zu einer öffentlichen Debatte ein.
Wir freuen uns auf Vorträge von u.a. Dr. Hermine Hitzler (Architects4Future), Bärbel Vogel (Vorsitzende, Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V.) und Dr. Olaf von Drachenfels (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz).
Diese Veranstaltung wird als Teil des Projektes „Naturgipsabbau in Deutschland“ durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages.
Der Gipsabbau im Südharz ist geprägt von jahrelangen Debatten zwischen Umweltschutzverbänden und Förderunternehmen. Der Harzer Gipskarst ist ein bis zu 7 Kilometer breiter und 100 Kilometer langer Landschaftstreifen in Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Er zeichnet sich durch sanfte Hügel und eine kleinteilige Landschaft aus Buchenwäldern, Gipssteilhängen, Bachschwinden, Erdfällen, Magerrasenflächen und Quellsümpfen aus. Südharzer Zechsteingürtel, Kyffhäuser und Hainleite gehören nach Einstufung des Bundesamts für Naturschutz zu den deutschen Hotspots der Artenvielfalt , erläuterte der Geologe Dr. Friedhart Knolle bei einer Wanderung durch den Lichtenstein bei Osterode. Laut Umweltschützern handelt es sich um eine einmalige Landschaft in Europa, die durch den Gipsabbau bedroht sei.
Die Forderung nach einer Wende im deutschen Bauwesen wird immer größer. Am letzten Wochenende erreichte eine Petition im Deutschen Bundestag zur Bauwende das nötige Quorum mit über 57.000 Mitzeichner*innen. Darin wird ein „umfassendes Maßnahmenpaket für ein klima- und sozialverträgliches Bauen“ gefordert. Die Gruppe „Architects for Future“ spricht sich in der Petition für einen nachhaltigen Wandel im Bausektor aus. Ab einer Mitzeichnung von 50.000 Unterstützer*innen muss es nun eine Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages geben. In der Petition wird unter anderem gefordert, dass der Marktpreis von Baumaterialien alle Umweltfolgekosten umfassen müsse und Bauprodukte kreislaufgerecht rückgebaut werden sollen, um sie nach Dekonstruktion wieder verwenden zu können.
„Das ist ein starkes Zeichen für eine längst überfällige Wende im Bauwesen. Die Menschen in Deutschland sind nicht mehr bereit, den Status quo hinzunehmen. Die Diskussion ist eröffnet und muss jetzt von der Bundesregierung aufgegriffen werden“, sagt Uli Wieland, von der Bundeskontaktstelle Gesteinsabbau der GRÜNEN LIGA.