Das Umweltnetzwerk GRÜNE LIGA sieht eine Strategie zum Umgang mit dem Rohstoff Gips als notwendig an. Auf einer Online-Tagung zum Bedarf an Gips in Zeiten des Kohleausstiegs kamen am Freitag über 60 Experten und Interessierte zusammen um über das konfliktträchtige Thema zu diskutieren. Aufgrund des Ausstiegs aus der Kohle wird schrittweise der REA-Gips wegfallen, der bislang als Nebenprodukt bei der Rauchgasentschwefelung der Kohlekraftwerke entsteht. Die Gipsförderindustrie will daher verstärkt Naturgips in sensiblen Landschaften - vor allem im Südharz - abbauen.
„Unsere Tagung ist ein wichtiger Schritt für den transparenten Diskussionsprozess, den wir zum Thema Gips brauchen. Die Kohlekommission hat zwar eine Aussage der Gipsindustrie in ihren Bericht übernommen, das Thema tatsächlich aber nie diskutiert.“, sagte der Bundesvorsitzende der GRÜNEN LIGA René Schuster: „In der Debatte am Freitag wurde deutlich, dass REA-Gips keinesfalls 1 zu 1 durch zusätzlichen Abbau in wertvollen Naturlandschaften ersetzt werden muss. Es gibt ein ausreichendes Zeitfenster, um das Potenzial der wirtschaftlichen Alternativen, Gipsersatzstoffe und des Recyclings zu nutzen. Dabei sehen wir auch die Bundesregierung in der Pflicht.“, sagte Schuster.
Dreizehn Initiativen aus ganz Deutschland, die vom zunehmenden Abbau von Kies, Sand und Gips betroffen sind, fordern von der Bundespolitik ein Moratorium für Genehmigungen neuer Abbaugebiete und eine Reform des antiquierten Bergrechts. . Mit ihrer „Erfurter Erklärung“ haben die Kritiker des Gesteinsabbaus nun einen Forderungskatalog an den dem Umwelt- und Wirtschaftsausschuss des Bundestages gesandt. Darin werden auch ambitionierte Recyclingquoten für Baustoffe und bessere Mitspracherechte in den Abbaugebieten eingefordert. Die Initiativen werden dabei von der GRÜNEN LIGA und der Bewegungsstiftung unterstützt.
„Es brodelt gewaltig an vielen Orten in Deutschland. Der industrielle Abbau von Sand, Kies, Gips und anderen Gesteinen sorgt für die Zerstörung unwiederbringlicher Natur und Landschaften auf Kosten nachfolgender Generationen“, sagt Ulrich Wieland von der Bundeskontaktstelle Gesteinsabbau des Umweltnetzwerkes GRÜNE LIGA e.V.: „Von Sachsen bis Brandenburg und Thüringen, von Baden- Württemberg bis Nordrhein-Westfalen - es gibt kaum ein Bundesland, wo Menschen nicht gegen die Interessen der Rohstoffindustrie aufbegehren. Die Bundespolitik darf vor den Protesten gegen den massiven Ausbau von Sand, Kies und Gips nicht weiter die Augen verschließen.“
Mit dem vom Bundestag beschlossenen Kohleausstieg fällt langfristig auch REA-Gips als Nebenprodukt der Kohlekraftwerke weg. Dies wirft die Frage nach dem Bedarf und Anforderungen an die Gipsförderung auf. Die Rohstoffindustrie sieht die Antwort in einem massiven Ausbau der Naturgipsförderung. Nach ihren Vorstellungen sollen sogar Regelungen aus Naturschutzgesetzen außer Kraft gesetzt werden, um zukünftig auch in Schutzgebieten fördern zu können. Insbesondere im Südharz stehen wertvolle Naturlandschaften im Fokus der Bergbaufirmen. Rund zehn Millionen Tonnen Gips verbraucht Deutschland jedes Jahr.
Das Umweltnetzwerk GRÜNE LIGA plädiert für einen offenen Diskussionsprozess zum Bedarf an Naturgips: „Wir brauchen mehr Sachlichkeit in der Debatte. Ein Satz im Abschlussbericht der Kohlekommission darf nicht als Freibrief zum Abbaggern ganzer Landstriche missverstanden werden“, mahnt der Bundesvorsitzende der GRÜNEN LIGA René Schuster. Die Kohlekommission empfahl in ihrem Abschlussbericht vom Januar 2019, den „fortschreitenden Wegfall an REA-Gips durch eine zusätzliche umweltverträgliche Gewinnung von Naturgips auszugleichen“. Schuster, der selbst als fachlicher Berater („Sherpa“) in der Kommission saß, weist auf fehlende fachliche Auseinandersetzung während der halbjährigen Arbeit am Kohleausstieg hin: „Die Kohlekommission hat sich gar nicht mit dem Bedarf an Gips beschäftigt. Der Kommissionsbericht übernahm diese Aussage aus einem Papier der Gipsindustrie , ohne dass jemals darüber diskutiert wurde.“. Die Bundesregierung hat nach eigener Aussage keinerlei Informationen über den künftigen Bedarf an Gips, wie eine parlamentarische Anfrage im Deutschen Bundestag vom August 2020 zeigte „Ohne eine unabhängige Prüfung des Bedarfes, der Alternativen und verstärktes Recycling darf es keine vorschnellen Entscheidungen zur Förderung von Naturgips geben“, fordert Schuster.
Hier gibt es die Erfurter Erklärung auch noch einmal in Textform.
***Aktuelle info***:
Erfurter Erklärung mittlerweile von 14 Bürger*inneninitiativen und Vereinen unterzeichnet! Die Bürgerinitiative "Schutz statt Schutt - Gegen eine Deponie in Luggendorf“ ist nun Teil der 14 Unterzeichner*innen.
Am Samstag 29.08.2020 trafen sich erstmalig Initiativen, die sich kritisch mit dem immer stärker voranschreitenden Abbau von Kies, Sand und Gips engagieren. Auf Einladung des Umweltnetzwerkes GRÜNE LIGA e.V. mit Unterstützung der Bewegungsstiftung kamen Bürgerinitiativen aus Baden Württemberg, Brandenburg, Sachsen und Thüringen in Erfurt zusammen. Nach einem über fünfstündigen Austausch verabschiedeten die Vertreter*innen gemeinsam eine „Erfurter Erklärung“ mit einem Forderungskatalog auf Bundesebene. Die Kritiker*innen fordern vor allem eine Reform des Bergrechts, um mehr Mitsprache und Schutz der Umwelt zu gewährleisten. Dazu sollen weiter Recyclingquoten in der Bauwirtschaft eingeführt werden, wie auch eine bundesweit einheitliche Steuer auf alle geförderten Gesteine geschaffen werden. Weiterhin braucht es ein Förderprogramm zur Entwicklung nachwachsender und alternativer Baustoffe. Bis die Forderungen umgesetzt sind, soll ein Moratorium verhängt werden. Es dürfen nur in Ausnahmefällen Genehmigungen für neue Abbaugebiete erteilt werden, fordern die Initiativen.