Überblick – Der gute chemische Zustand nach Artikel 16 WRRL
Ein zentrales Ziel der WRRL ist es, die Gewässerverschmutzung durch Stoffe zu verhindern, von denen ein besonders hohes Umweltrisiko ausgeht: die prioritären und prioritären gefährlichen Stoffe. Die Gefahr dieser Stoffe besteht zum einen in ihrer ökotoxikologischen und humantoxikologischen Wirkung und zum anderen in einer weiten Verbreitung und Verschmutzung der Gewässer. Die Strategie gegen die Gewässerverschmutzung durch prioritäre Stoffe wird in Artikel 16 der WRRL dargelegt und umfasst immissionsseitige Umweltqualitätsnormen (Grenzwerte) sowie auch emissionsseitige Begrenzungen. Allerdings bedarf es zur Ausgestaltung dieser Regelungen noch einer Tochterrichtlinie. Dieser kombinierte Ansatz wurde allerdings während der Verhandlungen über die Tochterrichtlinie in Frage gestellt, da der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission keinerlei emissionsseitige Regelungen auf EU-Ebene vorsieht.
Als Vorgabe für die Einhaltung eines guten chemischen Zustands einigten sich EU-Parlament und -Rat am 20. November 2001 auf eine Liste von zunächst 33 prioritären Stoffen beziehungsweise Stoffgruppen, für die innerhalb von zwei Jahren EU-weite Regelungen zur Begrenzung von Einleitung, Emissionen und Verlusten von der EU-Kommission vorgeschlagen werden sollten (Entscheidung 2455/2001/EG). Von diesen Stoffen und Stoffgruppen sollen die elf als "prioritär gefährliche Stoffe" klassifizierten Substanzen innerhalb von 20 Jahren nach der Verabschiedung der oben genannten Regelungen durch Parlament und Rat gänzlich aus der aquatischen Umwelt verschwinden ("phasing out"; vgl. Tabelle).
Für die Umsetzung der WRRL-Anhänge II und V, die sich auf weitere Stoffe im Zusammenhang mit dem guten chemischen Zustand beziehen, haben die Bundesländer Verordnungen mit Umweltqualitätsnormen erlassen.
Am 24. Dezember 2008 wurde die Richtlinie 2008/105/EG, die sogenannte Prioritäre-Stoffe-Tochterrichtlinie der WRRL, im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Damit verbunden war die Festsetzung von Qualitätsnormen für prioritäre Stoffe sowie deren Einstufung in prioritäre und prioritär gefährliche Stoffe. Die Liste der 33 Stoffe prioritären Stoffe bildet den Anhang X der WRRL, weitere Stoffe wurden zur Prüfung ihrer möglichen Einstufung als prioritär in Anhang III WRRL aufgenommen. Darüber hinaus wurde in der Prioritäre-Stoffe-Richtlinie festgelegt, dass die Richtlinien 82/176/EWG (zu Quecksilberableitungen aus Alkalichloridelektrolyse), 84/156/EWG (zu Quecksilberableitungen ohne Alkalichloridelektrolyse), 83/513/EWG (Cadmiumableitungen), 84/491/EWG (Ableitungen von Hexachlorcyclohexan) und 86/280/EWG (Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe im Sinne der Liste I des Anhangs zur Richtlinie 76/464/EWG) mit Wirkung vom 22. Dezember 2012 aufgehoben werden. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte durch Erlass der Oberflächengewässerverordnung am 20. Juli 2011, die zugleich, der mit dem Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 eingeführten konkurrierenden Gesetzgebung folgend, die 16 Länderverordnungen zur Umsetzung der WRRL durch eine einheitliche Verordnung auf Bundesebene ablöste.
Mit der Richtlinie 2013/39/EU, veröffentlicht am 24. August 2013, wurde die Liste der prioritären Stoffe unter teilweise erheblicher Verschärfung der Umweltqualitätsnormen auf 45 erweitert. Seither gehen die Länderbehörden davon aus, dass in Deutschland kein Oberflächengewässer("-körper") den guten chemischen Zustand erreicht. Für prioritäre-Stoffe-Kandidaten für die EU-weit keine ausreichenden Monitoring-Daten vorliegen, wurde eine Beobachtungsliste (Watchlist) eingeführt. Gleichzeitig wird die Kommission aufgefordert, bis zum 13. September 2015 einen strategischen Ansatz gegen die Verschmutzung von Gewässern durch pharmazeutische Stoffe vorzulegen. Zur Umsetzung in deutsches Recht ist eine Novelle der Oberflächengewässerverordnung vorgesehen.
Prioritäre-Stoffe-Tochterrichtlinie – ein Rückschritt im Gewässerschutz?
Bei der Ausgestaltung der Regelungen zu den prioritären Stoffen kam es zu erheblichen Verzögerungen. Darüber hinaus sind massive inhaltliche Abschwächungen und sogar Rückschritte gegenüber bereits geltenden Regelungen zu befürchten. Einen Vorschlag für eine Tochterrichtlinie legte die EU-Kommission erst am 17. Juli 2006 vor. Dieser Vorschlag beinhaltet jedoch – entgegen den WRRL-Vorgaben – keinerlei Regelungen für Emissionsbegrenzungen auf EU-Ebene. Er umfasst lediglich Umweltqualitätsstandards (diese sollten nach WRRL bereits bis 20. November 2003 vorliegen) und eine Einstufung der zu überprüfenden prioritären Stoffe (diese hätte bereits bis 20. November 2002 erfolgen sollen).
Die Abstimmung der Tochterrichtlinie Prioritäre Stoffe erfolgte zwischen EU-Rat und -Parlament. Das Parlament hatte den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission am 22. Mai 2007 in erster Lesung behandelt, für Anfang 2008 war die zweite Lesung vorgesehen.
Die Prioritäre-Stoffe-Richtlinie wurde im April 2008 im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments weiterverhandelt. Nachdem der Umweltministerrat nur wenige der Änderungen des Parlaments aus der ersten Lesung in seine gemeinsame Position übernommen hatte, setzte sich die EP-Berichterstatterin Anne Lapperouze dafür ein, eine Reihe von Änderungsanträgen in der zweiten Lesung abermals beschließen zu lassen. Hierzu gehörte die Einführung von emissionsseitigen Maßnahmen, um - anders als von der Kommission vorgeschlagen und auch vom Rat beabsichtigt - den kombinierten Ansatz der WRRL nicht aufzugeben. Emissionen prioritärer Stoffe sollen demnach mit integrierten Plänen zur Emissionsbegrenzung schrittweise reduziert beziehungswweise bei den prioritär gefährlichen Stoffen gänzlich eingestellt werden. Dieses so genannte "phasing out" der prioritär gefährlichen Stoffe sollte nach den Vorstellungen des Parlaments bis 2015 erfolgen, der Rat setzte hierfür keine Frist.
Außerdem hatte das Parlament die Liste der prioritären Stoffe um 28 Stoffe ergänzt, die nun erneut vorgeschlagen wurden. Uneinigkeit mit dem Rat herrschte auch beim Umgang mit den Übergangszonen der Überschreitung, den Bereichen, innerhalb derer die Schadstoff-Grenzwerte überschritten werden dürfen.
Zum Download finden Sie hier
- Den Richtlinienvorschlag und die zugehörige Mitteilung der EU-Kommission vom 17. Juli 2006
- Eine Zusammenfassung unserer Kritik am Kommissions-Vorschlag für eine Tochterrichtlinie (Artikel im WRRL-Info 13).
- Eine ausführliche Position der GRÜNEN LIGA zum Richtlinienvorschlag
- Die im EEB erstellte Abstimmungsempfehlung zur ersten Lesung des RL-Vorschlags im EU-Parlament
- Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat zum Richtlinienvorschlag
Die Liste prioritärer Stoffe der EG-WRRL wurde nach einem im Artikel 16 der WRRL festgelegten Verfahren aufgestellt und soll alle vier Jahre überarbeitet werden. Sie ersetzt die Liste von 129 prioritären Stoffen der Kommissionsmitteilung vom 22. Juni 1982, die auf der alten EU-Richtlinie 76/464 zu gefährlichen Stoffen beruht. Die Überprüfung der ersten Liste der prioritären Stoffe war ursprünglich bis 20. November 2005 vorgesehen.
Grundsätzliche Kritik am Einzelstoffansatz bei den prioritären Stoffen übt der BBU, der darüber hinaus auch kritisiert, dass sich die Beprobung der Gewässer auf die im Wasser gelösten Stoffe beschränkt und nicht auch auf die wesentlich wichtigeren partikulär gebundenen Schadstoffe bezieht (s. hierzu die BBU Wasser-Rundbriefe 838 und 852).
WRRL und Meeresschutzabkommen: die Problematik prioritärer Stoffe
Zum Verhältnis der prioritären Stoffliste der WRRL und der Listen der Meeresschutzabkommen für die Nord- und Ostsee finden Sie hier Informationen.
Für den Bereich des Nord-Ost-Atlantiks wurde das OSPAR-Abkommen verabschiedet, das die Meeresumwelt im Gebiet vor gefährlichen Substanzen schützen soll. Dabei geht das Abkommen wesentlich weiter als die WRRL. Für die Nordseeküste sind somit die – im Vergleich zur Wasserrahmenrichtlinie – strengeren Bestimmungen umzusetzen. Mit der "Umsetzung des OSPAR-Zieles für gefährliche Stoffe im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie" befasste sich ein Vortrag von Karoline Schacht (von der Aktionskonferenz Nordsee).
Einen Artikel zum Richtlinienvorschlag finden Sie in der WRRL-Info 12.
Prioritäre Stoffe in der Bestandsaufnahme
Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme 2004 in Deutschland zeigen in Hinblick auf die prioritären Stoffe Umsetzungsdefizite. Es bestehen Datenlücken zur Einschätzung des chemischen Zustandes, so dass meist grobe Abschätzungen zur Beurteilung vorgenommen wurden.
Die derzeitigen Stoffeinträge stammen vorwiegend aus diffusen Quellen (Landwirtschaft, Emissionen aus der Luft). Außerdem stellen weitverbreitete Substanzen wie hormonell wirkende Umweltchemikalien oder Arzneimittelrückstände aus Abwässern der Haushalte eine zunehmende Belastung dar.
Liste der prioritären Stoffe im Bereich der Wasserpolitik
33 prioritäre Stoffe beziehungsweise Stoffgruppen wurden in die Liste der prioritären Stoffe aufgenommen. Innerhalb dieser Liste wurden bislang elf Substanzen, die toxisch, bioakkumulierbar und persistent sind, als prioritär gefährlich eingeordnet. Die Mitgliedstaaten führen gemäß Artikel 16 Absätze 1 und 8 die notwendigen Maßnahmen mit dem Ziel durch, die Verschmutzung durch prioritäre Stoffe schrittweise zu reduzieren. Die Einleitungen, Emissionen und Verluste der durch menschliche Aktivitäten bedingten prioritären gefährlichen Stoffe in Wasser sind innerhalb von 20 Jahren nach Verabschiedung der genannten Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zu unterbinden. Für anthropogene synthetische Stoffe sollen die Konzentrationen in der Meeresumwelt nahe Null liegen, wogegen für Stoffe natürlichen Ursprungs die Hintergrundwerte angestrebt werden.
Die Auswahl der Stoffe erfolgte mit der COMMPS-Methode (combined monitoring-based and modelling-based priority setting). Die Methode wurde im Rahmen eines gemeinsamen Vorhabens der Europäischen Kommission und des Umweltbundesamtes durch das Fraunhofer Institut für Ökotoxikologie und Umweltchemie in Schmallenberg entwickelt. Um die Stoffe nach ihrer Priorität zu ordnen, wurden gemessene und modellgestützte Daten in diesem Verfahren miteinander kombiniert. Mit der Entscheidung Nr. 2455/2001/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2001 wurde die Liste festgelegt. Am 16. Dezember 2001 trat die Entscheidung in Kraft und wurde als Anhang X der EG-WRRL übernommen und damit die Liste der 129 prioritären Stoffe gemäß EU-Richtlinie 76/464/EWG zu gefährlichen Stoffen abgelöst.
Die Europäische Kommission sollte die Liste spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie und im Anschluss daran mindestens alle vier Jahre überprüfen. Derzeit werden 14 Stoffe dahingehend überprüft, ob sie als prioritär oder prioritär gefährlich einzustufen sind. Einen Vorschlag hierzu hätte die EU-Kommission spätestens 12 Monate nach Annahme der Liste (Dezember 2002) vorlegen müssen.
Für die prioritären Stoffe sollen europaweit geltende Umweltqualitätsnormen (Artikel 16(7)) und Emissionsminderungsmaßnahmen (Artikel 16(6)) in einer Tochterrichtlinie verabschiedet werden, die zur Zeit zwischen Rat und Parlament abgestimmt wird. Die Richtlinie soll gemäß Art. 16 WRRL den kombinierten Ansatz konkretisieren, das heißt sowohl Begrenzung der Verschmutzung an der Quelle durch Emissionsgrenzwerte als auch Festlegung von Umweltqualitätsnormen (Immissionsgrenzwerten) für die Gewässer. Die Emissionsbegrenzungen dienen zum Erreichen der Qualitätsziele; wenn diese nicht zum Erreichen der Ziele genügen, müssen die Mitgliedsstaaten strengere Emissionskontrollen etablieren und/oder umsetzen. Der emissionsseitige Ansatz auf europäischer Ebene steht jedoch vor dem Aus, da er im Kommissionsvorschlag zur Richtlinie aufgegeben wurde.
Zur Überarbeitung der Liste und zur Erarbeitung von Emissionsbegrenzungen und Umweltqualitätsnormen wurde ein Expert Advisory Forum, ein Beratungsgremium der EU-Kommission, eingerichtet.
Beschluss Richtlinie 2013/39/EU von EP und Ministerrat, vom 24.08.2013
Prioritäre gefährliche Stoffe* |
Prioritäre Stoffe, die nicht als prioritäre gefährliche Stoffe eingestuft werden*** |
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Beschluss 2455/2001/EC von EP und Ministerrat, vom 20.11.2001
Prioritäre gefährliche Stoffe* |
Zu überprüfende prioritäre Stoffe** |
Prioritäre Stoffe, die nicht als prioritäre gefährliche Stoffe eingestuft werden*** |
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* Gemäß dem oben beschriebenen Verfahren werden die folgenden 11 Stoffe beziehungsweise Stoffgruppen als "prioritäre gefährliche Stoffe" eingestuft.
** Die folgenden 13 prioritären Stoffe beziehungsweise Stoffgruppen werden als "zur Überprüfung" gekennzeichnet.
*** Die folgenden 9 Stoffe beziehungsweise Stoffgruppen werden nicht als prioritäre gefährliche Stoffe eingestuft.
Der nachfolgende Link führt Sie zur Entscheidung des EU-Rates und des Europäischen Parlaments über die Liste der gefährlichen Stoffe als PDF-Dokument (147 KB):
Entscheidung Nr.2455/2001/EG
Grenzwerte
Mit den Umweltqualitätsnormen (engl.: environmental quality standard = EQS) sollen Grenzwerte festgelegt werden, die den guten Zustand des Gewässers reflektieren und aus ökotoxikologischen Daten gewonnen werden. Es handelt sich dabei um Konzentrationen eines bestimmten Schadstoffes oder einer Schadstoffgruppe, die in Wasser, Sediment oder Biota aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes nicht überschritten werden dürfen. Die EQS sind dabei nur für die Kompartimente zu erheben, also entweder Wasser, Sediment oder Biota, für die nach dem Stand des Wissens ein Risiko durch einen gegebenen Stoff besteht.
Die Kommission hatte entsprechend Artikel 16 spezifische EQS für die prioritären Stoffe in den Oberflächen- und Übergangsgewässern und Küsten- und Territorialgewässern vor. Um zeitliche Emissionsspitzen zu begrenzen, werden zusätzlich festgelegte maximal zulässige Konzentrationen (MAC-EQS) mit dem Jahresmaximum überprüft. Wesentliche Basis für die Ausarbeitung der Umweltqualitätsnormen der EU ist eine Studie des Fraunhofer Instituts für Molekulare Biologie und Angewandte Ökologie.
Der Richtlinienvorschlag der Kommission sieht nun aber Grenzwerte vor, die in vielen Fällen deutlich von den im Expert Advisory Forum vorgeschlagenen Werten abweichen. Dies wird u.a. auch vom BDEW (Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft) scharf kritisiert.
Für die Umsetzung der WRRL-Anhänge II und V, die sich auf weitere Stoffe im Zusammenhang mit dem guten chemischen Zustand beziehen, haben die Bundesländer Verordnungen mit Umweltqualitätsnormen erlassen (die LAWA-Musterverordnung hierfür finden Sie hier).
Die Umweltqualitätsnormen sind zu überwachen und einzuhalten, wenn die aufgeführten Stoffe in signifikanten Mengen in den Oberflächenwasserkörper eingetragen werden. Die Überprüfung der Umweltqualitätsnormen erfolgt anhand des arithmetischen Jahresmittelwerts für die jeweilige Messstelle. Bei Überschreitung von einer oder mehreren Umweltqualitätsnormen ist der gute chemische Zustand nicht erreicht. Die Ursachen der Überschreitung müssen dann ermittelt werden und entsprechende Maßnahmen zur Emissionsminderung vorgenommen werden.
In der BMU-Brochüre "Die Wasserrahmenrichtlinie - Neues Fundament für den Gewässerschutz in Europa" sind die im Zuge des EAF-Prozesses vorgeschlagenen Umweltqualitätsnormen für die prioritären Stoffe tabellarisch zusammengefasst. Grundsätzlich sollte ein Schadstoff in der Matrix überwacht werden, in der er überwiegend vorkommt und für die ein ausreichend empfindliches und zuverlässiges Analysenverfahren besteht. Problematisch ist, dass die vorgeschlagenen Grenzwerte nicht immer die tatsächlichen Wirkkonzentrationen reflektieren. Zur Zeit bestehen nur für die Konzentration der prioritären Stoffe in der gesamten Wasserprobe Qualitätsnormen. Es wird damit nicht zwischen dem gelösten und an suspendierte Partikel gebundenen Anteil unterschieden. Ob nun ein Stoff toxisch oder bioakkumulierbar ist, hängt aber entscheidend von seiner chemischen Bindungsform ab. So heftet sich ein hydrophober Stoff aufgrund geringer Wasserlöslichkeit bevorzugt an Oberflächen wie Organismen oder mineralische Partikel im Wasser. Somit können diese Stoffe scheinbar aus dem Wasser verschwinden und im Sediment oder Biota akkumulieren. Sediment und Biota stellen bedeutende Matrizes beim Monitoring von Stoffen dar, um den Langzeiteffekt von anthropogenen Aktivitäten zu ermitteln und Trends einzuschätzen.
Neben den Schwierigkeiten aus den bestehenden ökotoxikologischen Daten Umweltqualitätsnormen für die einzelnen Matrizes abzuleiten, gibt es Probleme bei der Wahl der richtigen analytischen Methode zum Nachweis der prioritären Stoffe in der Umwelt. Nicht für alle Stoffe existieren geeignete und abgesicherte Methoden, die in dem Konzentrationsbereich der EQS greifen. Zudem bestehen Diskrepanzen zwischen den Anwendungsgrenzen der Analysenverfahren und den aus ökotoxikologischen Daten geforderten Grenzwerten.
Pestizide
Bei der Novellierung der Pestizidzulassungs-Richtlinie (91/414/EWG) hatte das Europäische Parlament in erster Lesung deutliche Verschärfungen gefordert, unter anderem ein Verbot für Wirkstoffe mit neurotoxischen oder immunotoxischen Eigenschaften. Die Vorschläge stoßen bei der EU-Kommission auf Ablehnung. Der Ministerrat wird den Vorschlag voraussichtlich im Mai beraten. Das Parlament wird nach der Sommerpause in zweiter Lesung über die Richtlinie beraten. Beraten wird derweil auch über den von der EU-Kommission schon im Juli 2006 vorgelegten Entwurf für eine neue Richtlinie für eine nachhaltige Nutzung von Pestiziden, die sich vorrangig auf Pflanzenschutzmittel bezieht. Zu deren Zielen gehört es, den Pestizideinsatz im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip zu verringern und die Anwendung nichtchemischer Alternativen zu fördern. Vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten nationale Aktionspläne aufstellen, in denen Zielvorgaben, Maßnahmen und Zeitpläne zur Verringerung der Risiken sowie der Abhängigkeit von Pestiziden festgelegt werden. Die Mitgliedstaaten sollen dabei für spezifische Maßnahmen zum Schutz der Gewässer Sorge tragen: In Gewässernähe sollen Produkte angewendet werden, die für die aquatische Umwelt nicht gefährlich sind, und es sollen die effizientesten Ausbringungstechniken Anwendung finden. Entlang von Wasserläufen sollen angemessene Pufferzonen eingerichtet werden, in denen keine Pestizide ausgebracht oder gelagert werden dürfen und die Abdrift von direkt an Wasserläufen gelegenen Kulturen wie Obstanlagen, Rebflächen, Hopfen und ähnliche begrenzt wird.
Die Verhandlungen sind 2008 in Brüssel zum Abschluss gekommen. Das Ergebnis stellt einen großen Rückschritt gegenüber den in der WRRL intendierten Zielen dieser Tochterrichtlinie dar. Besonders bedauerlich ist, dass auf EU-Ebene keinerlei emissionsseitige Maßnahmen zur Reduzierung der Gewässerbelastung durch prioritäre Stoffe ergriffen werden. Der in der WRRL vorgesehene "kombinierte Ansatz" wurde damit aufgegeben.
Das im Januar 2009 vom EU-Parlament verabschiedete Pestizid-Paket wurde im September 2009 vom Ministerrat angenommen und tritt nach Veröffentlichung in Kraft. Die Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln gilt unmittelbar und hebt die Richtlinie 91/414/EWG auf. Die Richtlinie über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (PE-COS 3608/09) muss innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.
Aktuelle Informationen rund um das Thema Pestizide, Biozide und Tierarzneimittel finden Sie im Rundbrief WRRL-Info 32, veröffentlicht im September 2017.
Biozide
Die EU-Kommission beabsichtigte, die Biozid-Richtlinie (98/8/EG) von 1998 zu überarbeiten. Hierzu haben acht Umweltverbände unter Federführung des Pesticide Action Network (PAN) Germany ein gemeinsames Kernpunktepapier vorgelegt. Angemahnt wird, dass die Neuregelungen bestehende Vorgaben aus anderen Richtlinien explizit übernehmen, unter anderem die der WRRL und der Grundwasserrichtlinie, sowie das Ziel, spätestens im Jahr 2020 die Freisetzung von gefährlichen Stoffen in die Meeresumwelt zu beenden. Der Trink- und Grundwasserschutz sollten unter den Schutzzielen aufgeführt sein. Gefordert wurde unter anderem, dass bei der gegenseitigen Anerkennung von Produktzulassungen ein vergleichbarer, hoher Standard im Zulassungsverfahren Voraussetzung ist. "Dabei ist die Freiheit der einzelstaatlichen Entscheidung im Risikomanagement (von speziellen Anwendungsauflagen bis hin zur Ablehnung der Anerkennung einer Zulassung) zur Sicherung nationaler Umwelt- und Gesundheitsschutzstandards sicherzustellen".
Zur Revision der Biozid-Richtlinie (98/8/EG) durch eine Biozid-Verordnung haben PAN Germany, BUND und Greenpeace Anfang November 2009 eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie erheblichen Änderungsbedarf formulieren, unter anderem zur Stärkung des Vorsorgeprinzips bei der Biozidverwendung (http://www.pan-germany.org).
Emissionsbegrenzung
Die Begrenzung von Emissionen prioritärer Stoffe sollte nach den Vorgaben der WRRL durch die Tochterrichtlinie geregelt werden. Im Richtlinienvorschlag der EU-Kommission wurde dieser Ansatz jedoch überraschend fallengelassen. Ohne die Festlegung von Emissionsbegrenzungen steht der kombinierte Ansatz der WRRL vor dem Aus. Als Gründe für diesen Verzicht gibt die Kommission in ihrer Mitteilung vom 17. Juli Kostengründe und das Subsubsidiaritätsprinzip an. Scharf kritisiert wird dieser Rückschritt nicht nur von Umweltverbänden, sondern auch von Bundestag und Bundesrat.
Nach Artikel 10 der EG-WRRL müssen für alle diffusen wie punktuellen Einleitungen spätestens 12 Jahre nach Inkrafttreten der WRRL Emissionsbegrenzungen erlassen werden. Bei der Festlegung von Minderungsmaßnahmen gelten bestimmte Randbedingungen. So sind alle Verschmutzungsquellen zu berücksichtigen. Produkt- und Verfahrenseinschränkungen für punktuelle und diffuse Quellen sind unter Berücksichtigung von Kostenwirksamkeit und Verhältnismäßigkeit und gemeinschaftsweiten Emissionsgrenzwerten für Verfahrenseinschränkungen zu ermitteln.
Das Expert Advisory Forum hat ein Konzept-Papier erstellt, in welchem der Stand der Diskussionen bezüglich der Festlegung von Maßnahmen zur Emissionsminderung dargelegt wird. Diese Zusammenstellung ist ein wichtiges Hintergrundpapier für die zu erarbeitende Tochterrichtlinie zum Artikel 16 der EG-WRRL. In diesem Papier wird die Methode zur Identifizierung vom Emissionsbegrenzungen für die prioritären und prioritär gefährlichen Stoffe skizziert. In einem ersten Schritt wurden die Quellen und ihre Eintragspfade identifiziert. Dann wurden für die relevanten Stoffe im einzelnen die existierenden Kontrollmöglichkeiten auf der Europäischen Ebene zusammengestellt. Ob sie tatsächlich für eine Begrenzung wassergefährdender Emissionen aus den relevanten Quellen im angestrebten Zeitrahmen geeignet sind, muss überprüft werden. Erste Ideen und Vorstellungen zu möglichen Emissionsbegrenzungen und ihrer Priorität wurden erörtert.
Im Rahmen des Umweltforschungsplans (UFOPLAN) führte das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (FhG-ISI) in Karlsruhe im Auftrag des Umweltbundesamtes eine Studie durch, um die Quellen der 33 prioritären Stoffe für Deutschland zu identifizieren, ihre Einträge in Gewässer sowie ihre Relevanz für Reduzierungsmaßnahmen einzuschätzen. Eine große Anzahl der prioritären Stoffe wird in Deutschland nicht produziert und auch nicht beziehungsweise nur in sehr kleinen Mengen eingesetzt. Das heißt aber nicht, dass damit diese Stoffe bei der Gewässerüberwachung keine Rolle spielen. Denn zum Beispiel weisen die Pestizide Atrazin und Lindan deutliche Grenzwertüberschreitungen auf, da es sich um Einträge aus historischen Anwendungen handelt oder eventuell um illegalen aktuellen Einsatz, um Gewässereinträge aus Nachbarländern oder atmosphärische Deposition. Hexachlorbenzol kann als Nebenprodukt bei der Herstellung von chlororganischen Verbindungen anfallen oder bei Verbrennungsprozessen entstehen und dadurch in die Gewässer eingetragen werden. Für einige Stoffe, wie die vier Schwermetalle, die PAKs, die Pestizide Atrazin, Diuron, Isoproturon und Lindan, sind deutliche Überschreitungen der Zielvorgaben festzustellen. Für andere Stoffe kann dagegen die Belastungssituation aufgrund der ungenügenden Datenlage beziehungsweise der unklaren Qualitätsziele nicht ausreichend bewertet werden.