Erfurter Erklärung - Forderungskatalog

Hier gibt es die Erfurter Erklärung auch noch einmal in Textform.

Der industrielle Abbau von Sand, Kies, Gips und anderen Gesteinen schreitet weltweit und auch in Deutschland immer weiter voran. Die aktuelle Praxis der Baustoffproduktionsorgt für die Zerstörung unwiederbringlicher Natur und Landschaftenauf Kosten nachfolgender Generationen. Dabei gibt es moderne Ansätze, die sehr viel sorgsamer mit Ressourcenumgehen. Die von den Unternehmen und Konzernen versprochene Rekultivierung wird oft nicht in vollem Maße umgesetzt und die Landesbergämter kommen ihrer Kontrollaufgabe nur ungenügend nach. In Deutschland wächst seit Jahren der Unmut über den massiven Raubbau an der Natur. Zahlreiche Menschen, Initiativen und Verbände engagieren sich vor Ort gegen die Naturzerstörung und den weiteren Ausbau der Gesteinsförderung.

Ein Grund dafür ist der nicht ausreichende Schutz durch das Zivil-, Natur-und Umweltrecht und das antiquierte Bundesbergrecht. Das Regelwerkstammt teilweise noch aus der Kriegs- und Nazizeit, in der die Ausbeutung von Rohstoffen oberste Maßgabe war. Bis heute wird dem Interesse des Bergbaus weitgehend Vorrang vor anderen Belangen eingeräumt.

Wir brauchen ein Ende der veralteten Rohstoffgewinnungsmethoden im gesamten Baubereich! Die Devise muss lauten „Die Stadt als Steinbruch“ (urban mining) anstatt Raubbau an der Natur. Wenn das Neubauwachstum anhält, werden Baustoffemissionen ein Fünftel der CO2-Emissionen bis 2050 ausmachen. Derzeit ist der Abbau von Gesteinen immer noch lohnenswerter, als ein Umschwenken auf nachwachsende Baustoffe und Recycling. Mit fatalen Folgen für Mensch und Natur in den betroffenen Regionen!

Die unterzeichnenden Initiativen haben sich auf die folgenden gemeinsamen bundesweiten Forderungen verständigt.

Forderungskatalog

1. Reform des Bundesbergrechts

Es braucht endlich einen fairen Interessenausgleich zwischen den Förderunternehmen und dem Staat einerseits und der betroffenen Bevölkerung sowie dem Schutz der Umwelt andererseits. Bei bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren ist eine Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung, die Einführung einer umfassenden Umweltprüfung und die Stärkung der Klagerechte erforderlich. Im Jahr 1996 trat das „Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen“ in Kraft. Viele der „alten“ Bergbauberechtigungen wurden von diesem Gesetz ausgeschlossen. Hierzu muss es eine Fristsetzung geben, ab welchem Zeitpunkt dieses Gesetz für alle Abbauverfahren gilt.

Oftmals können sich bergbaugeschädigte Anwohner*innen juristisch nicht gegen Schäden wehren, da die Beweislast bei ihnen liegt. Es ist dringend erforderlich, eine Beweislastumkehr für Schäden infolge von Rohstoffgewinnung einzurichten. Umweltverbände scheitern in ihrem Ziel schützenswerte Naturressourcen zu erhalten, weil das Bergrecht faktisch über dem Umweltrecht steht. Es muss möglich werden, bei Neuaufschlüssen und Erweiterungen von Abbaugebieten Versagensgründe abzuwägen, insbesondere:

  • Belange des Klima- und Ressourcenschutzes
  • Biodiversität
  • natürliche Lebensräume von Arten,
  • Schutz hochwertiger landwirtschaftlicher Böden,
  • Schutz des Grundwassers
  • Schutz von Bergbaubetroffenen und der Umwelt

Die Absicht, Bodenschätze zu fördern, muss nach langfristigen Gemeinwohlaspekten, statt nur anhand einer aktuellen Nachfrage oder den Gewinnabsichten eines privaten Bergbauunternehmens bewertet werden.

2. Reform des Umweltrechts bei Rohstoffabbauvorhaben

  • Einrichtung von Schlichtungsstellen durch die Bundesländer, insoweit Schäden durch Abbau auftreten können.
  • Obligatorische Beweissicherungsverfahren vor Beginn des Abbaus, die von den Unternehmern finanziert werden müssen.
  • Einrichtungen von Dauermessstellen bezüglich der Staub- und Feinstaubbelastung, Grundwasser, Erschütterungen und Lärm.
  • Überarbeitung der einschlägigen Richtwerte für Immissionen unter Einbeziehung von Umweltverbänden und Betroffenenvertretungen unter Berücksichtigung von Summenwirkungen.
  • Sicherer Einbeziehung der Betroffenenvertretungen im Genehmigungsverfahren (§2a (3), 9. BImSchV).

3. Kein Abbau in Schutzgebieten

Die Novellierung des Bundesbergrechts muss endlich explizit den Bergbau in bestehenden und auch beantragten Schutzgebieten unter EU-, Bundes- und Landesrecht verbieten. Eine besondere Rolle sollte Schutzgebieten auch in der Abwägung zukommen. Hier reicht es nicht, um Schutzgebiete herum zu graben und diese dadurch erheblich zu beeinträchtigen (Salaitaktik). Um die Schutzgebiete in ihrer Funktion nicht auszuhöhlen, müssen Mindestabstände (Pufferzonen) zwischen Abbauflächen und den geschützten Gebieten festgeschrieben werden. Diesmuss ebenso für sonstige Rohstoffgewinnungsvorhaben geregelt werden.

4. Verpflichtende Sicherheitsleistungen für ordnungsgemäße Rekultivierung und Schäden an Gemeinwohlgütern

Sicherheitsleistungen, die bereits heute nach §56 Abs.2 Bundesberggesetz möglich sind, müssen in voller Höhe der zu erwartenden Wiedernutzbarmachungskosten obligatorisch erhoben werden, damit die Rekultivierung sichergestellt wird. Gleichzeitig müssen die Sicherheitsleistungen auch Reparaturen bei Schäden an Gemeinwohlgütern wie z.B. Quellen und Fließgewässern abdecken. Sie müssen auch den Fall der Abbauaufgabe und des Konkurses gewährleisten.

Bei Verfüllungen dürfen die Einlagerungsmengen die Gesamtfördermengen nicht übersteigen. Dies muss ebenso für sonstige Rohstoffgewinnungsvorhaben geregelt werden. Ziel der ordnungsgemäßen Rekultivierung muss die weitere uneingeschränkte Nutzbarkeitder betreffenden Flächen sein.

5. Bessere Regulierung von Abbauvorhaben

Aufgrund der späten Einbeziehung ist die Interessenwahrnehmung von Eigentümern und Betroffenen wie auch die Vertretung von Umweltschutz- und Belangen angrenzender Gebiete kaum möglich. Klagemöglichkeiten für Grundstückseigentümer sind erst am Ende des planungsrechtlichen Verfahrens, bei der sog. Grundabtretung gegeben. Erst dann werden auch Fragen des Bedarfes an Rohstoffen berücksichtigt.

Es braucht klare gesetzliche Vorgaben zur Regulierungen von Abbauvorhaben grundeigener Bodenschätze auch unter 10 ha, insbesondere Schotter, Kiese und Sande. Darin sollen

  • ein Abstandgebot von mindestens 500m zu Siedlungsflächen, beim Einsatz von Sprengstoffen mindestens 800m,
  • Raumordnungsverfahren ab einer Größe von 5 Hektar,
  • das Einvernehmen mit der betroffenen Kommune und den regionalen Planungsverbänden,
  • eine angemessene Berücksichtigung eines verantwortlichen Umgangs mit begrenzten Ressourcen,
  • ein Verbot von Flächenbevorratung von mehr als 3 Jahren nach Bergbauberechtigung auch für unverritzte Flächen

geregelt werden.

6. Einführung einer bundesweit einheitlichen Steuer auf alle geförderten Gesteine

Bis auf die nur manchmal erhobene Förderabgabe bekommen derzeit Unternehmen die Rohstoffe so gut wie kostenlos. Daher wäre es längst überfällig eine Steuer (ähnlich der bundesweit debattierten Primärstoffsteuer) auf geförderte Gesteine und Massenrohstoffe zu erheben. Mit den Einnahmen sollen zweckgebunden nachhaltige alternative Baustoffe und das Recycling unterstützt werden.

7. Förderung alternativer nachwachsender Baustoffe

Die Bundesregierung muss breit angelegte Studien jeweils zu alternativen Baustoffen und zum Recycling von Gesteinsprodukten in Auftrag geben und Forschung dazu finanzieren. Ziel muss eine Analyse des Bedarfs und der Potentiale sein. Resultierend braucht es Förderprogramme zum Einsatz nachwachsender Baustoffe (wie z.B. Stroh, Holz), von Recyclingmaterial und von treibhausgasarmen Baustoffen wie Lehm oder Limestone Calcined Clay (LC3). Teil dieser Programme sollte sein, Anreize für sortenreine Herstellung von Baustoffen für effektives Recycling zu setzen, um die Rückgewinnung von mineralischen Rohstoffen beim Abriss zu garantieren. Die Forschung zu alternativen nachwachsenden Baustoffen muss nicht zuletzt durch Förderung in die Praxis umgesetzt werden.

8. Ambitionierte Recyclingquoten

Aktuell ist der billige Abbau und die Ausbeutung der Rohstoffe und der Natur nach wie vor günstiger als das Schaffen eines Recyclingprodukts. Dabei existieren schon z.B. R-Beton (Recycling-Beton) und recycelter Gips, welche die Förderung neuer Rohstoffe wie Kies und Sand überflüssig machen. Daher muss die Bundesregierung verpflichtendeund ambitionierte Recyclingquoten für die Verwendung von Baustoffen festsetzen.

 9. Zertifizierung von Baustoffen

Bei der Zertifizierung von Baustoffen werden bereits die Emissionen von Treibhausgasen als Indikator für Klimaschutz berücksichtigt. Die Bundesregierung muss Forschung zu Bewertungssystemen für die Zerstörung von Artenvielfalt und Lebensraum fördern und die Zertifizierung von Baustoffenum diese Komponenten erweitern.

10. Moratorium

Bis zur Umsetzung der Reform des Bergrechtes und des Rechts bei sonstigen Abbauvorhaben, der Einführung von Recyclingquoten in der Bauwirtschaft, der Schaffung einer bundesweit einheitlichen Steuer auf alle geförderten Gesteine und einem Förderprogramm alternativer nachwachsender Baustoffe braucht es ein Moratorium. Es dürfen nur in Ausnahmefällen Genehmigungen für neue Abbaugebiete erteilt werden.

Unterzeichnende Initiativen: