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Berggesetz, Jagd und Bauwende: Drei offene Baustellen für die neue Koalition

reichstag 1061 ideengruen markus pichlmaierVor den Koalitionsverhandlungen im Bund weist das Umweltnetzwerk GRÜNE LIGA auf den dringenden Handlungsbedarf bei drei Themen hin, die in den vergangenen Wochen nicht im Zentrum der öffentlichen Diskussion standen: Die Novellierung des Bundesberggesetzes und des Jagdrechtes sowie die Notwendigkeit einer Bauwende. Zugleich kritisiert das Netzwerk, dass im Sondierungspapier offenbar ein weiter steigender Gesamt-Energieverbrauch hingenommen werden soll.

„Für Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist eine Senkung des absoluten Ressourcenverbrauches unerlässlich. Die neue Koalition muss sich dieser Frage stellen! Wenn im Sondierungspapier nicht nur steigender Stromverbrauch, sondern ein insgesamt steigender Energieverbrauch als unabwendbar angenommen wird, ist das für uns nicht nachvollziehbar. Allein auf Energieeffizienzvorgaben zu setzen, wird den  Ressourcenverbrauch des Bauwesens nicht wirksam begrenzen. Deutschland braucht eine Bauwende, wenn es eine nachhaltige Gesellschaft werden will.“ sagt René Schuster, Bundesvorsitzender der GRÜNEN LIGA.

Zudem fordert die Grüne Liga eine substanzielle Weiterentwicklung des Bundesjagdgesetzes: „Angesichts des Klimawandels wird es eine Jahrhundertaufgabe, den Wald zu erhalten und für die Zukunft zu sichern. Damit die Jagdpraxis einer naturnahe Waldentwicklung nicht permanent behindert, braucht es eine Novellierung des Bundesjagdgesetzes. Nachdem diese in der letzten Legislaturperiode kläglich gescheitert ist, muss die neue Bundesregierung das Jagdrecht dringend in Angriff nehmen.“ sagt Reinhard Dalchow, stellvertretender Bundesvorsitzender des Umweltnetzwerkes.

Die Novellierung des Bundesberggesetzes ist eine lange bekannte Forderung der Umweltbewegung, die nichts an ihrer Aktualität verloren hat: „Eine Änderung des Bundesberggesetzes ist nicht etwa durch den Kohleausstieg hinfällig geworden. Noch immer drohen Enteignungen durch Kohletagebaue, aber auch die vom Abbau mineralischer Rohstoffe. Betroffenen fordern bundesweit eine Novellierung des Gesetzes. Alte Zöpfe müssen abgeschnitten und der Rohstoffabbau in einem modernen Fachplanungsrecht geregelt werden.“ sagt Ulrich Wieland von der Bundeskontaktstelle Gesteinsabbau der GRÜNEN LIGA.

Hintergrund Bauwende und Energiebedarf

Das am vergangenen Freitag veröffentlichte Sondierungspapier nennt im Kontext des Kohleausstieges einen „im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf“. Während dem steigenden Stromverbrauch ein zunehmender Einsatz von Strom im Verkehrs- und Wärmesektor („Sektorkopplung“) zugrunde liegen dürfte, ist ein weiteres Ansteigen des gesamten Energieverbrauches nicht mit Nachhaltigkeits- oder Klimazielen vereinbar.

Die in den Baustoffen enthaltene sogenannte „graue Energie“ wird von den Energieeffizienzvorgaben für Gebäude nicht erfasst. In einem kürzlich gemeinsam mit anderen Verbänden verabschiedeten Papier heißt es dazu: „Es braucht ein grundsätzliches Umdenken im Baubereich. Vierzig Prozent der deutschen CO2-Emissionen entstehen im Bausektor, trotzdem wird an einem Bauboom mit hochpreisigem Neubau festgehalten, während sich die Wohnfläche pro Kopf weiter erhöht. Die Prinzipien des nachhaltigen ressourcensparenden Bauens und die Anforderungen an den sozial-gerechten Wohnraum   müssen zukünftig die baupolitischen Rahmenbedingungen bestimmen, damit sich der Rohstoffbedarf  insgesamt auf in der Kreislaufwirtschaft umsetzbare Mengen reduziert.“

Link zum zitierten Papier:

https://www.grueneliga.de/images/Bilder/Gipsprojekt/OK_Verbndeposition_Abbau_von_Naturgips_in_Deutschland.pdf

Hintergrund Jagdgesetz:

Der Wald hat große Bedeutung für Wasserhaushalt, Biodiversität und Schutz des Bodens. Zehn Tonnen Kohlenstoffdioxid kann ein Hektar Wald langfristig speichern. Die Auswirkungen des Klimawandels werden zunehmend zur Bedrohung für unsere Wälder. Ein nachhaltiger Umbau zu naturnahen Mischwäldern ist dringend notwendig.

Die Bäume müssen dazu auch ohne Schutzmaßnahmen, wie die sehr kostenintensive Zäunung aufwachsen können. Doch in vielen Gebieten wird eine Naturverjüngung unverändert durch den Verbiss zu hoher Schalenwildbestände verhindert. Jagdpächter wollen einen hohen Wildbestand, um bei der Jagd erfolgreich zu sein. Obwohl seit Jahrzehnten in Deutschland ein hoher Wildbestand zu verzeichnen ist, wird in der Jägerschaft häufig vom „Aussterben des Schalenwildes“ gesprochen.

Seit 1976 hat es keine wesentlichen Änderungen am Bundesjagdgesetz gegeben. Das gesamtgesellschaftliche Interesse an einer naturnahen Waldentwicklung muss auch von der Jagd angenommen und flächendeckend umgesetzt werden. Dazu sind folgende Anpassungen der jagdrechtlichen Rahmenbedingungen im BJagdG notwendig:

-           Es sollte ein, der naturnahen Entwicklung des Waldes angepasstes Leitbild Jagd entwickelt werden.

-           Gestrichen werden müssen die gesetzlichen Mindestpachtzeiten. Sie machen es dem Waldeigentümer schwer, den Jagdpächter zu wechseln, wenn er mit seiner jagdlichen Praxis nicht zur Naturverjüngung beiträgt.

-           Es sind Vegetationsgutachten unter Beteiligung von Waldbesitzern, Jagdpächtern und Forstleuten zu erstellen, die ein Wildtiermanagement ermöglichen. Damit sind bestehenden Abschusspläne abzuschaffen.

-           Wildschäden, die die naturnahe Waldentwicklung beeinflussen, müssen finanziell abgegolten werden.

-           Als Umweltschutzmaßnahme ist die Verwendung von bleihaltiger Munition zu verbieten. Es gibt ausreichende Alternativen.

Hintergrund Bundesberggesetz

Das Bundesberggesetz ist ein Relikt vergangener Zeiten. So wurde die Möglichkeit der Zwangsenteignung („bergrechtliche Grundabtretung“) bewohnter Grundstücke in den 1930er Jahren  als Vorbote einer Kriegswirtschaft in das Gesetz eingefügt und besteht bis heute. Das Bundesverfassungsgericht musste das Gesetz im Jahr 2013 entgegen seinem Wortlaut auslegen, um es als (gerade noch) vereinbar mit dem Grundgesetz anzusehen.  Trotz eines Kohleausstiegsgesetzes drohen bei mehreren Braunkohletagebauen (Tagebau Garzweiler in NRW, Tagebau Nochten in Sachsen) noch immer Grundabtretungsverfahren. Doch auch beim Abbau mineralischer Rohstoffe, wie Sand, Kies oder Gips kommt es oft zu Konflikten aufgrund des antiquierten Bergrechts. Bei einem bundesweiten Treffen der von Gesteinsabbau betroffener Initiativen wurde mit der „Erfurter Erklärung“ ein Forderungskatalog verabschiedet, der als ersten Punkt die Novellierung des Bundesberggesetzes nennt. Vorschläge zur Novellierung des Gesetzes wurden seit Jahren in Gutachten und Forschungsprojekten erarbeitet. Die von der Großen Koalition im Frühjahr 2021 im Eilverfahren durchgesetzten Änderungen haben den grundsätzlichen Novellierungsbedarf in keiner Weise angepackt.

Forderungen des Deutschen Naturschutzrings zur Bergrechtsreform:

https://www.dnr.de/fileadmin/Publikationen/Themenhefte/14_11_DNR_Dokumentation_Broschuere_Reform_Bundesberggesetz.pdf

Link zur „Erfurter Erklärung“:

https://www.grueneliga.de/images/Bilder/Gipsprojekt/Erfurter_Erklrung_v16-WEB.pdf